06.1 die Vorgeschichte, die Jahre von 1962 bis 1970

 

Stellwerk Üf Bauart Sp Dr S60 Inbetriebnahme 28.2.1965
letzte Aktualisierung am 06.10.02

 

Zentral Stellwerk Uelzen in Betrieb
ganzseitiger Artikel der AZ vom 6./7. März 1965

Von Heinrich Priesterjahn

Wunder der Technik – Bahnhof Uelzen mit modernster Anlage

Täglich 360 Züge, täglich 800 Rangierfahrten, dazu viele Sonderfahrten und oft 7 bis 8 Züge zugleich, hat der Bahnhof Uelzen zu bewältigen. Um Menschen und Frachten schnell und sicher durch das Gleisgewirr zu leiten, waren bisher acht Stellwerke notwendig. In diesen Tagen übernahm ein einziges "Riesengehirn" – das Zentralstellwerk Üf - diese Aufgaben. Nach mehrjähriger Planungs- und Bauzeit in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn wurde es jetzt von Siemens fertiggestellt.

Die Verlagerung der Verkehrsströme nach dem Kriege und die damit verbundene stärkere Belastung der Nord – Süd – Strecke lösten unter anderem den Gedanken zur Elektrifizierung aus. Damit verbunden war die Notwendigkeit einer großzügigen Umgestaltung der technischen Anlagen. Dazu gehörte die Erneuerung der Gleisanlagen ebenso wie die Neugestaltung der Signal-, Weichen- und Stellwerksanlagen. So entstand das in diesen Tagen in Betrieb genommene Zentral – Gleisbild – Stellwerk Uelzen Üf.

Die Vereinfachung der Bahnhofsanlagen – Spurplanänderungen – musste der Elektrifizierung vorausgehen. Beim Bahnhof Uelzen konnten 100 Weicheneinheiten und ca. 1200 m Gleis eingespart werden. Diese Arbeiten wurden in den Jahren 1961 / 62, 1963 und 1964 durchgeführt, früher gab es 243 jetzt 144 Weicheneinheiten. Das neue Zentralstellwerk ersetzt die bisherigen acht Stellwerke und zeitweise für Rangierzwecke einzuschaltende kleine Stellwerke. Der Standort des neuen Zentralstellwerkes ist so gewählt, dass die Beamten im fünften Stock des etwa 18 m hohen Hochhauses einen guten Einblick in die Gleisanlagen des Rangier-, Güter- und Personenbahnhofs Uelzen haben. Der gesamte Bahnhof ist optisch auf einer Stelltafel dargestellt, wo die Fahrdienstleiter stehen. Jede Zug- und jede Rangierfahrt wählen sie mit Druck auf zwei Tasten ein. Relais übernehmen dann die Steuerung der Weichen und Signale, und mit einem Blick kann der Fahrdienstleiter jederzeit feststellen, in welchem Gleisabschnitt sich die einzelnen Züge befinden. Zur schnelleren Abwicklung des Verkehrs ist es ihm sogar möglich, einen Zug in eine noch belegte Strecke einzuwählen. Die Anlage speichert diese Wahl und gibt die Strecke erst dann frei, wenn der vorfahrende Zug den vorliegenden Blockabschnitt freigemacht hat.

Vor etwa 100 Jahren entstand die erste Uelzener Eisenbahnlinie. In diesen "Kindertagen" der Eisenbahn verkehrten natürlich erst wenige Züge. Sie zu dirigieren, war die Aufgabe weniger Männer, die von Hand die Weichen stellen mussten. Weil noch kein absolut sicher funktionierendes Signalsystem existierte, hing es zum großen Teil von ihrer Arbeit ab, ob die Züge heil ihr Ziel erreichten.

Die ständig zunehmende Verkehrsdichte und die höheren Geschwindigkeiten der Eisenbahnen verlangten bald den Bau von Stellwerken, von denen aus Weichen und Signale eines kleinen übersehbaren Gleisbezirkes mechanisch gestellt werden. Stellwerke mit der sogenannten Gleisbildtechnik aber machten erst die zentrale Überwachung möglich.

Die alten Stellwerke des Uelzener Bahnhofs beschäftigten in drei Schichten 40 Beamte. 21 von ihnen stehen nun der Bahn für andere Aufgaben zur Verfügung. 19 Männer, die ebenfalls in Schichten arbeiten, genügen jetzt zur Steuerung und Überwachung der 144 Weichen und 10 Gleissperren, 211 Signale und 88 Gleisstrom- und Achszählkreise. Die für die Signalanlagen verlegten Erdkabel haben eine Länge von 84,842 km. Es wurden Kabel von 2 bis zu 200 Adern verlegt. Die Adernlängen betragen etwa 4718 km, die Innenraumkabel – Adern allein 1300 km.

Der technische Ursprung der Gleisbildstellwerke reicht zurück bis in die letzten Jahre des zweiten Weltkrieges. Die erste Anlage war 1944 für den Bahnhof Birkenwerder bei Berlin entwickelt, doch wegen der Kriegsereignisse nicht mehr fertiggestellt worden. Im Oktober 1948, also vor sechzehn Jahren, ging schließlich in Düsseldorf – Derendorf das erste Gleisbildstellwerk in Betrieb. Inzwischen haben mehr als sechshundert dieser neuzeitlichen Anlagen über die doppelte Zahl veralteter Stellwerke mechanischer oder elektromechanischer Bauform abgelöst.

Schaltung nach "Spurplan"

Das neue Zentralstellwerk im Uelzener Bahnhof ist einer der Schlusssteine an dem langen Weg ununterbrochener Entwicklungsarbeit, die zu der modernsten Bauform der Gleisbildtechnik, zum "Spurplanstellwerk" geführt hat. Die 522 Relaisgruppen, denen die vielfältigen Sicherungs- und Überwachungsaufgaben obliegen, sind weitgehend genormt, und die Kabelverbindungen der einzelnen Relaissätze spiegeln das gleiche Bild wieder, das der Gleis- oder "Spurplan" zeigt. Ein Relais hat zumeist acht Kontakte, die 14 000 Relais des Uelzener Zentralstellwerks haben also 112 000 Kontakte. Alle Teile des Stellwerkes fügen sich in ein ausgeklügeltes Bausteinsystem ein, dessen Vorteile auf der Hand liegen. Sie beginnen bei der vereinfachten Herstellung, reichen über maschinelle Prüfung und garantiert fehlerfreie Anlieferung über beinahe routinemäßige Planung neuer Anlagen und äußerst kurze Bauzeiten bis zur leichteren Abnahmeprüfung, zur einfacheren Unterhaltung und zur raschen Behebung von Störungen, einfach durch Austausch des schadhaften gegen einen einwandfreien Baustein.

Warum Zentralstellwerke?

Früher, bei den mechanischen oder elektromechanischen Stellwerken, war der Wirkungsbereich weitgehend durch den Sichtbereich des Fahrdienstleiters begrenzt. Denn jeder Freigabe einer Fahrstraße musste die sorgfältige Prüfung des Fahrweges vorausgehen, um zu verhüten, dass ein Zug in ein besetztes Gleis einfährt. Das Gleisbildstellwerk ist in der Lage, diese Fahrwegprüfung in Bruchteilen einer Sekunde automatisch vorzunehmen, ohne dass der Fahrdienstleiter auch nur einen Blick durch das Fenster lenken muss. Damit ist die optische Sicht kein Hindernis mehr und der Zentralisierung des Betriebes steht auch in großen Bahnhöfen nichts mehr im Wege. Ein einziges zentrales Stellwerk kann viele einzelne ältere Bauformen ersetzen. Damit werden auch zahlreiche Bedienungskräfte für andere Aufgaben frei. Im Betrieb fördert die zentrale Lenkung einen flüssigen und reibungslosen Ablauf; Unregelmäßigkeiten lassen sich erheblich leichter bewältigen, als wenn an jedem Bedienungsvorgang etliche voneinander entfernte Stellen beteiligt sein müssen.

Fehler sind ausgeschlossen

An die Stelle der schweren Hebel oder langen Schalterreihen sind beim "Gleisbildstellwerk" kleine Drucktasten getreten, die sinngemäß und übersichtlich in eine sinnbildliche Darstellung des "Gleisbildes" auf dem "Gleisbildtisch" eingefügt sind und dieser neuzeitlichen Stellwerksbauform auch den Namen "Drucktastenstellwerk" gegeben haben.

Der gleichzeitige Druck auf zwei dieser Tasten genügt, um eine ganze Fahrstraße mit zahlreichen Weichen einzustellen, festzulegen und die entsprechenden Signale auf "Fahrt" gehen zu lassen. Zwei Tasten muss der Fahrdienstleiter deshalb drücken, damit sich bei versehentlichen Berühren einer einzelnen Taste kein unbeabsichtigter Schaltvorgang auslösen kann. Auch wenn zwei Tasten, die sinngemäß nicht zueinander passen oder gar mehrere Tasten gleichzeitig gedrückt werden, reagiert die Anlage nicht. Der Weg in eine festgelegt oder bereits besetzte Fahrstraße bleibt ebenfalls immer verschlossen, selbst wenn der Fahrdienstleiter die entsprechenden Tasten drük-ken sollte. So schaltet die Technik menschlichen Irrtum weitgehend aus.

Um andererseits die Weichen und Fahrwege nicht länger als unbedingt nötig zu blockieren, löst jeder Zug seinen Fahrstraßenverschluss Stück für Stück selbsttätig auf. Jeder kleine Teilabschnitt einer Fahrstraße, den der Zug bereits verlassen hat, wird unverzüglich aus der Festlegung freigegeben und steht damit bereits für andere Fahrten zur Verfügung. Auch die Signale kehren jeweils selbsttätig in die Halt-Stellung zurück.

Signale auch am Tag mit Licht

An die Stelle der bekannten Flügelsignale treten bei den Gleisbildstellwerken durchweg Lichtsignale, die ihre Signalbilder am Tag ebenso wie in der Nacht nur durch verschiedenfarbige Lichter anzeigen.

Trotz der vielen Zug- und Rangierfahrten auf dem Bahnhof Uelzen genügt ein Stellwerk gegenüber bisher acht, um den gesamten Betrieb zentral zu lenken. Dementsprechend werden in dem neuen Zentralstellwerk ständig zwei Fahrdienstleiter gleichzeitig tätig sein. Die verschiedenfarbige Ausleuchtung des Gleisbildes auf der Stelltafel lässt den gesamten Betriebsablauf ohne Blick nach draußen genau verfolgen.

Die Lichter verlöschen nie

Damit auch bei Störungen in der öffentlichen Stromversorgung die Lichter der Signale nie verlöschen, damit sich in der Sicherheit des Zugbetriebes keine Lücken auftun können, verfügt das neue Zentralstellwerk über zwei getrennte Netzersatzanlagen: eine Batterie mit 3 466 Amperestunden Kapazität als erste Stromreserve für etwa anderthalb Stunden sowie über zwei Dieselaggregate mit je 95 kVA Leistung, die sich automatisch einschalten und den Betrieb bei längeren Störungen unbegrenzt aufrechterhalten können.

Umfangreiche Fernmeldeanlagen wie Fernsprecheinrichtungen, Wechselsprechanlagen, Lautsprecher zwischen den Gleisen und an den Bahnsteigen sowie Allfernsprecher, Signalfunk, Fahrleitungsmeisterfunk dienen als wichtige Hilfsmittel bei der Bewältigung der umfangreichen Betriebsaufgaben. Eine automatische Feuermeldeanlage mit Ionisationsfeuermeldern gibt Alarm, bevor ein Brand ausbrechen kann; sie reagieren bereits auf die erste Rauchentwicklung.

Immer den richtigen Weg gewählt

Auf sämtlichen Strecken, die in den Uelzener Bahnhof führen, werden noch selbsttätige Blockanlagen eingebaut, die von den Zügen ohne menschliches Zutun gesteuert werden. Die einzelnen Abschnitte folgen dicht aufeinander, so dass die Leistungsfähigkeit der Zulaufstrecken bis auf das äußerste genutzt ist.

Das Zentralstellwerk Uelzen ist allen anderen, selbst denen, die erst in den nächsten Wochen in Betrieb genommen werden, bereits um eine weitere entscheidende Neuerung voraus: es bekommt einen Stelltisch mit Zehnertastatur, der den Zweihandbetrieb der Drucktastentechnik mit einer Hand ablöst. Die Anlage ist neu entwickelt und erstmals in der Bundesrepublik im Bahnhof Uelzen verwendet. Die Stelltafel soll nur noch bei Unregelmäßigkeiten unmittelbar bedient werden. Im normalen Betrieb vom Stelltisch aus mit einer Zehnertastatur, die es ermöglicht, größere und mehre Stelltafeln durch einen Fahrdienstleiter bedienen zu lassen. Mit einer Tastatur kann ein Mann ein ganzes Programm von Zugfahrten zusammenstellen und ablaufen lassen, das nur dem Prinzip der Sicherheit gehorcht. Bedienungsfehler, die auf das Konto menschliches Versagen kommen, können nie wirksam werden, zumindest nicht zu Unfällen führen. Das Schlimmste was passieren kann, wäre eine Blockierung des Betriebes ehe etwas passiert. Das bedeutet praktisch das Höchstmaß an Sicherheit.

Die Gesamtkosten der neuen Stellwerksanlage für Bahnhof Uelzen, Emmendorf, Kl. Süstedt und Selbstblock Emmendorf – Suderburg betragen 9 210 00 DM. Davon entfallen auf den Bahnhof Uelzen 5 610 000 DM (einschließlich 600 000 DM für das Stellwerksgebäude), auf den Bahnhof Kl. Süstedt 609 000 DM, auf Bahnhof Emmendorf 582 000 DM und die Selbstblockanlage 343 000 DM.

Durch die Inbetriebnahme des Zentralstellwerkes wurden auf dem Bahnhof Uelzen 21 Bedienstete eingespart. Nach Einschaltung des Selbstblocks können weitere 26 Bedienstete auf den Nebenstrecken eingespart werden. Diese Bediensteten werden zu anderen Dienststellen umgesetzt. Sie sind nicht überflüssig; denn auch die Bundesbahn leidet unter Personalmangel. Daher erfüllt das Zentralstellwerk auch auf diesem Sektor die daran geknüpften Erwartungen. Unnötig zu sagen, dass für die auf dem Stellwerk tätigen Bediensteten das neue System erhöhte und zusätzliche Anforderungen stellt. Es bedurfte für alle intensiver Übung neben dem ohnehin schon anstrengenden Dienst, um am Tage der Umstellung mit allen neuen und bisher ungewohnten Handgriffen so vertraut zu sein, dass der Betrieb ohne Störung weiterlaufen konnte. Das ist geschehen. Kein Außenstehender hat gemerkt, dass auf dem Bahnhof Uelzen die technische Entwicklung einen Sprung nach vorn getan hat und mit diesem Stellwerk ein neuer Meilenstein des Fortschritts gesetzt wurde.








Stellwerk Üf noch im Bau, unter der Brücke ein Fuhrwerk der Fa. König .....






Gleisbild, es ist noch viel Platz auf dem Arbeitsplätzen, das Computerzeitalter ist noch lange nicht in Sicht .....









Üf noch ohne "Beschriftung"....







Das Steuerpult 1971 ....









1978 noch alles komplett.....





Der Zugmelder in voller Aktion März 1980....







20 Jahre später, der Rangierbahnhof ist von der Gleisbildanzeige verschwunden, durch einen Kalender ersetzt und der PC ist für die Arbeit des Fahrdienstleiters unverzichtbar.

August 2001


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