Verbotene Züge

- die Militärzüge der Siegermächte in Deutschland -

Einleitung

Im Verlauf des zweiten Weltkrieges begann die Geschichte der Militärzüge für die alliierten Siegermächte in Deutschland. Als die Rote Armee im April 1945 den Kampf um Berlin aufnahm, war Dies auch der Zeitpunkt für die Aufnahme des sowjetischen Militärverkehres in und aus Richtung Deutschland. Der erste Versorgungszug der Roten Armee mit Lebensmitteln traf am 06. Mai 1945 aus dem Osten kommend auf dem Bahnhof in Berlin-Lichtenberg ein. Bis zum Sommer 1945 wurde die Strecken von der neuen deutschen Ostgrenze an der Oder bei Küstrin und Frankfurt/Oder über die Berliner Stadtbahn nach Potsdam auf die russische Breitspur umgenagelt, damit der sowjetische Staatschef Stalin mit seinem Sonderzug zur Potsdamer Konferenz der vier alliierten Siegermächte anreisen konnte. Im Juni 1945 wurde der internationale Schnellzugverkehr von Berlin über Warschau nach Moskau wieder aufgenommen. Mit dem Eintreffen der westalliierten Streitkräfte in Berlin ab Anfang Juli 1945 wurde auch der Militärverkehr für die Westalliierten zwischen ihren Standorten in Berlin und Helmstedt aufgenommen. Gemäss dem Potsdamer Abkommen vom August 1945 sollte den westalliierten Westmächten jeweils eine Strassen-, Eisenbahn- und Luftverbindung zwischen Berlin und den westlichen Besatzungszonen zur Verfügung gestellt werden. Die Abwicklung des alliierten Militärverkehres oblag unter der Verwaltung des RTO (Rail Transportation Office) den Transportcorps USATC - der amerikanischen Streitkräfte, Royal Corps of Transport - der britischen Streitkräfte, TMFB - der französischen Streitkräfte und der Militäreisenbahnverwaltung der Roten Armee in Deutschland (SMAD), später Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Für den Verkehr der alliierten Militärzüge wurden Lokomotiven und Wagen aus dem Bestand der deutschen Eisenbahnverwaltungen von den Siegermächten beschlagnahmt und eingesetzt. In den späteren Jahren wurden dann auch Fahrzeuge für die Militärzügem speziell Reisezugwagen beschafft. Der deutschen Bevölkerung war die Benutzung dieser Züge untersagt. In Berlin wurden die Bahnhöfe Berlin-Ostbahnhof (ab Ende Mai 1987 Berlin-Hauptbahnhof) für die Züge der GSSD, zunächst Berlin-Wannsee, später Berlin Lichterfelde West für die Züge der US-Army, sowie Berlin-Charlottenburg für die Züge der britischen Armee, sowie Berlin-Tegel (Gare du Francaise) für die Züge der französischen Armee genutzt.

In Berlin-West und der DDR war die deutsche Reichsbahn für die Beförderung der Züge zuständig. Die Züge der westalliierten Streikräfte wurden in Potsdam-Stadt und Marienborn durch Angehörige der sowjetischen Streitkräfte kontrolliert und unterstanden auch der Kontrolle durch den alliierten Kontrollrat mit Sitz in Berlin. Neben den hier genannten Zugpaaren gab es aber auch weitere außerplanmässige Züge, sowie auch Güterzüge. Die Züge des Militärverkehrs waren auch immer in den dienstlichen Fahrplanunterlagen der DR und DB enthalten. Für diese Züge wurden von der DR die Triebfahrzeuge und das Zugpersonal gestellt. Dabei definierte sich die Rolle der Deutschen Reichsbahn nicht anders als die Rolle der Deutschen Bundesbahn - es war erst einmal ganz normaler Eisenbahnverkehr und es wird der Historie dieser Züge nicht gerecht, wenn im Internet versucht wird hier Verschwörungstheorien hinein zu interpretieren. Siehe auch die Diskussion im historischen Forum der Seite Drehscheibe-Online unter "DDR-Loks für Alliiertenzüge 1945-1994".

Nachfolgend werden auf dieser Seite nun einige der Züge kurz vorgestellt:

 

Züge der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland

Das wichtigste Zugpaar war zwischen 1945 und 1994 das Zugpaar von Moskau über Brest-Central und Berlin nach Wünsdorf, dem Sitz des sowjetischen Oberkommandos der GSSD in Deutschland. Von 1945 bis Ende 1951 verkehrte dieses Zugpaar zwischen Moskau und Potsdam über Brest und Frankfurt/Oder unter Umgehung der Berliner Westsektoren, da sich bis zu diesem Zeitpunkt das Oberkommando der SMAD in Potsdam-Babelsberg befand. Zeitweise führte dieses Zugpaar (jahrelang als D 1190 / 1191) auch Kurswagen von Brest-Central über Frankfurt/Oder und Mittenwalde nach Wünsdorf, sowie von Frankfurt/Oder über Jüterbog nach Magdeburg. Ein weiteres Zugpaar verkehrte zwischen Brest-Central und Erfurt (jahrelang als D 1192 / 1193) über Jüterbog, Halle/Saale und Sangerhausen. Zwischen Brest-Central und Magdeburg verkehrte ebenfalls ein Zugpaar (jahrelang als D 1194 / 1195). Auf der Strecke von Frankfurt/Oder nach Schwerin gab es eine Kurswagengruppe, die jahrelang mit einem planmässigen Personenzugpaar befördert wurde. Hier nun die Auflistung der Zugpaare:

D 1190 / 1191 von Moskau nach Wünsdorf über Frankfurt/Oder, Berlin-Köpenick, Berlin-Ostbahnhof (Hauptbahnhof) und Berlin-Schönefeld,

D 1192 / 1193 von Brest-Central nach Erfurt, von Frankfurt/Oder aus auf dem Laufweg über Berlin-Köpenick, dem Berliner Außenring, Genshagener Heide, Jüterbog, Holzdorf, Abzweig Großrössen, Beyern, Lu.-Wittenberg, Dessau Hbf, Bitterfeld, Halle/Saale Hbf, Lu.-Eisleben, Blankenheim Trennung und Sangerhausen,

D 1194 / 1195 von Brest-Central nach Magdeburg Hbf, über Frankfurt/Oder, Berlin-Köpenick, Berlin-Schönefeld und Werder (Havel),

D 1196 / 1197 von Brest-Central nach Schwerin, von Frankfurt/Oder über Eberswalde, Templin, Neustrelitz und Güstrow (in späteren Jahren als Kurswagengruppe in dem Zugpaar P 3101 / 3102). Zwischen 1986 und 1990 verkehrten die Zugpaare D 1196 / 1997 und P 3101 / 3102 mit den Kurswagen aus Brest-Central in einer um etwa zwölf Stunden versetzten Fahrplanlage und in den Jahren von 1991 bis 1994 gab es das Zugpaar D 1196 / 1197 noch einmal als Dm 38949 / 38948.

D 1198 / 1199 von Moskau nach Wünsdorf über Frankfurt/Oder, Berlin-Köpenick, Berlin-Ostbahnhof (Hauptbahnhof) und Berlin-Schönefeld, zeitweise mit Kurswagen nach Schwerin.

Weiteres zu den Zügen sind in den Diskussionen im historischen Forum der Seite Drehscheibe-Online unter "SZD-Wagen auf DR-Gleisen" oder "? zum Personenzuglanglauf Frankfurt/Oder - Schwerin" nachzulesen.

Dann gab es ab 1952 noch die Katastrophenzüge (K-Züge) zwischen dem Zentrallazarett in Beelitz-Heistätten und Brest-Central über Teupitz und Frankfurt/Oder. Diese Züge wurden auch als Lazarettzüge bezeichnet und dienten der Rückführung erkrankter Militärangehöriger der GSSD. Weiteres auf der Seite "die Katastrophenzüge der DR". Bei den Zugnummern dieser Züge wurde von dem ab September 1976 gültigen Zugnummernschema abgewichen, siehe auch bei den britischen bzw. französischen Militärzügen.

Im Sommerfahrplan 1978 wurde der Zug D 1191 von Wünsdorf über Berlin nach Moskau zwischen Berlin-Ostbahnhof und Frankfurt/Oder planmässig mit einer Lok der BR 03.00 des Bw Stralsund gefahren. im Volksmund wurde der Militärzug von Moskau nach Wünsdorf, bzw. Wünsdorf nach Moskau auch "Machorka-Express" genannt.

 

Züge der amerikanischen Streitkräfte (US Army Transportation Corps)

In der ersten Zeit bis 1947 verkehrten die Züge der amerikanischen Streitkräfte zwischen Bremerhafen und Berlin-Wannsee (hier wurde der Güterbahnhof genutzt), und teilweise zum Bahnhof Berlin Lichterfelde West. Der komplette US-Militärverkehr wurde ab 11. November 1947 nach Lichterfelde West verlagert. Besondere Fahrzeuge waren hier die beiden Schnelltriebwagen mit dem Namen "The General". Die Fahrten dieser Triebwagen erfolgten immer relativ kurzfristig. Den Zügen waren teilweise Begleitwagen mit einer Beobachtungskanzel beigestellt. Leider konnte ich diese Züge nie selbst beobachten. Die Züge verkehrten über Griebnitzsee, Potsdam-Stadt, Marienborn und Helmstedt.

 

Züge der englischen Streitkräfte (Royal Corps of Transport)

Die Züge der englischen Streitkräfte verkehrten ab 1945 zwischen Emden (?), Hannover-Hbf und Berlin-Charlottenburg. Das bekannteste Zugpaar war hier der "The Berliner" zwischen Berlin-Charlottenburg und Hannover-Hbf über Helmstedt, Marienborn und Potsdam-Stadt (jahrelang als D 1045 / 1046, unter Insidern auch "Rot-Kreuz-Zug" genannt). Auch dieses Zugpaar verkehrte von Berlin über Griebnitzsee, Potsdam-Stadt, Marienborn und Helmstedt.

Dabei wurde vom regulärem Zugnummernschema der DR abgewichen, da die internationalen Reisezüge mit besonderen Benutzungsbestimmungen ab September 1976 der Zugnummerngruppe 1100 bis 1199 zugeordnet waren. Da Gleiche galt auch für die im nachfolgenden Absatz genannten Züge der französischen Streitkräfte.

 

Züge der französischen Streitkräfte (TMFB)

Die Züge der französischen Streitkräfte verkehrten zwischen (Paris -) Strasbourg und Berlin-Tegel / Gare Francaise. Auf Grund des eingesetzten Wagenmaterials (farblich angepasste Schlaf-, Liege-, Speise- und Salonwagen) wurde dieses jahrelang als D 1040 / 1041 verkehrende Zugpaar von den Eisenbahnfreunden immer sehr beachtet (unter Insidern auch "der Rollende Puff" genannt). Der Zug kam in den frühen Morgenstunden in Berlin-Tegel an und die Abfahrt des Zuges erfolgte in den frühen Abendstunden. Das Stammzugpaar lief auf dem Laufweg von Berlin-Tegel aus über die Kremmener Bahn, Berlin-Schönholz, Berlin-Gesundbrunnen, die nördliche Ringbahnstrecke über Berlin-Moabit, Güterbahnhof Berlin-Charlottenburg, Berlin-Wannsee, Griebnitzsee, Potsdam-Stadt (hier erfolgte jahrelang neben der Kontrolle durch die sowjetischen Kontrollorgane auch ein Lokwechsel), Magdeburg, Marienborn, Helmstedt, Königslutter, Braunschweig, Hildesheim, Göttingen, Kassel, Fulda, Frankfurt/Main, Mannheim, Karlsruhe, Rastatt, Baden-Baden und Kehl bis nach Straßburg. Im Sommer 1994 wurde das Zugpaar Dm 38601 / Dm 38602 ab / bis Berlin-Wannsee laut letzten Erkenntnissen mit einer Lok der BR 143 bespannt, was eine Besonderheit war, da ja dieses Zugpaar auf dem Gebiet der DR ansonsten immer nur mit Dampflok oder später Diesellok gefahren wurde.

 

Das RTO (Rail Transportation Office)

Über die Einrichtungen des RTO wurde der Eisenbahnverkehr der westalliierten Siegermächte in Deutschland in Abstimmung mit der GSSD und den beteiligten deutschen Stellen organisiert. Zu den Einrichtungen des RTO gehörten die von den westalliierten Siegermächten genutzten Bahnanlagen im alten Bundesgebiet und Berlin-West.

 

Das Ende des Militärverkehres

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands zum 03. Oktober 1990 begann nach dem Ende der 2+4-Gespräche zwischen den vier Siegermächten und den beiden deutschen Staaten auch das Ende des Militärverkehres der Siegermächte.

im Mai 1991 verkehrte das Zugpaar der britischen Streitkräfte letztmalig,

im Sommer 1993 fuhren die letzten Züge der amerikanischen Streitkräfte,

am 01. September 1994 erfolgte auf dem Bahnhof Berlin-Lichtenberg an dem Sonderzug Dm 93294 von Wünsdorf nach Moskau die offizielle Verabschiedung der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD),

der Dm 38601 für die französischen Streitkräfte wurde am 30. August 1994 zwischen Berlin-Tegel / Gare Francaise und Berlin-Wannse mit der Lok 65 1057 gefahren und am frühen Abend des 24. September 1994 verkehrte der letzte planmässige Zug der französichen Streitkräfte ab Berlin-Tegel / Gare Francaise nach Strasbourg. In den Morgenstunden kam des 30. September 1994 letztmalig der Dm 38602 bespannt mit der Lok 234 311 auf dem Bahnhof in Berlin-Tegel an.

Die Wagen des Militärverkehres der Siegermächte wurden in der Folgezeit entmilitarisiert und verkauft. So kamen einige Wagen aus dem Bestand aller drei Westmächte zu EuroExpress werden bis in die Gegenwart im Sonderzugdienst eingesetzt. Andere Wagen wechselten in den Bestand von Museen.

 

Mit einem Sonderzug wurde am 12. und 13. Mai 2012 an den britischen Militärzug "The Berliner" erinnert. An diesen beiden Tagen verkehrte das Zugpaar D 91540 / 91541 von Berlin-Charlottenburg über Marienborn, Helmstedt und Braunschweig nach Hannover, sowie zurück. Der Zug wurde mit den beiden Lok 03 1010 und 231 012 gefahren. In einigen Veranstaltungen an den alliierten Standorten entlang der Strecke wurde an den Verkehr der alliierten Militärzüge erinnert.

Bild 01 - der britische Militärzug D 1046 mit Namen

"The Berliner" am 19. September 1988 in Potsdam

Bild 02 - der französische Militärzug D 1040

am 22. September 1988 in Potsdam

Bild 03 - der D 1193 am 28. Juli 1989 auf der

Blankenheimer Rampe bei Sangerhausen

(c) Dieselkutscher

Bild 04 - der britische Militärzug D 1046 mit Namen

"The Berliner" am 09. Juni 1990 vor der Abfahrt in

Berlin-Charlottenburg

Bild 05 - der französische Militärzug Dm 38601

am 20. Mai 1993 in Berlin-Gesundbrunnen

Bild 06 - der französische Militärzug Dm 38601

am 17. Juli 1993 in Berlin-Witzleben

Bild 07 - der französische Militärzug Dm 38601

am 31. Juli 1993 in Berlin-Wannsee

Bild 08 - der Militärzug Dm 38946 von Brest über

Berlin nach Magdeburg am 02. April 1994 in

Berlin-Friedrichshagen

Bild 09 - wegen der bevorstehenden Verabschiedung

der französischen Streitkräfte aus Berlin wurde am

30. August 1994 der Dm 38601 mit der Lok 65 1057

(c) Sammlung vb 995

Bild 10 - der letzte sowjetische Militärzug Dm 93294

am 01. September 1988 in Berlin-Köpenick

Bild 11 - der letzte planmässige französische

Militärzug Dm 38603 am 24. September 1994 in Berlin-Tegel

Bild 12 - in Erinnerung an den britischen Militärzug

"The Berliner" verkehrte am 12. Mai 2012 der

Sonderzug D 91540 von Berlin nach Hannover

letzte Änderung: 06.02.2024 

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