Noch sind sie hin und wieder vor einem Personenzug zu sehen - die großen, alten, schwarzen Dampfrösser. Um sie ranken sich inzwischen die Legenden der Eisenbahnfans, denn die schnaufenden Kolosse sind rar geworden. Sie müssen immer mehr den rentableren, sauberen Diesel- .und Elektroloks weichen. Am 30. September dieses Jahres verabschiedete" sich auf dem Bahnhof Berlin-Lichtenberg die Schnellzugdampflokomotive 01 2065-9 mit ihrer letzten Fahrt nach Szczeczin auf der Strecke Berlin Gdynia Berlin. Jahrelang zog sie bis zur Grenze den Eilzug E 315, der fahrplanmäßig einmal am Tag die 494 Kilometer zurücklegt, Die Lok stammt aus der Baureihe 01, das waren mit die größten Dampflokomotiven der Deutschen Reichsbahn. Das Exemplar aus der Baureihe der 20er und 30er Jahre ist sogar noch mit den originalen Windleitblechen, den sogenannten großen Ohren, ausgerüstet. Die beginnende Umstellung auf Dieselkraft ließ eine Rekonstruktion der 01 2065-9 nicht mehr sinnvoll erscheinen. Schwestern dieser Dampflok sind Anwärter auf einen Platz im Verkehrsmuseum. Vorerst soll die Lok aber noch nicht ganz zum alten Eisen gehören. Sie wird auf Verschiebebahnhöfen helfen, im Winter die Weichen zu beheizen. Lokführer Heinz Wunderlich und Heizer Georg Tischler werden ihre Dicke" auch auf diesem Weg begleiten. Beide haben seit 1974, mit dem Beginn des visafreien Reiseverkehrs mit der VR Polen, auf der 01 2065-9 und dieser Strecke ihren Dienst versehen. Der Start zur letzten planmäßigen Fahrt" an der Spitze des E 315 nach Gdynia verlief aber keineswegs in aller Stille. Ganz im Gegenteil: Lok und Besatzung hatten einen großen Bahnhof. Klaus Ulrich, BGL-Vorsitzender des Bahnbetriebswerkes, überreichte den beiden Eisenbahnern einen großen Blumenstrauß. Eine Erinnerungsplakette an diese letzte Fahrt wird folgen. Auch Reinhold Maass einer, der immer dabei ist, wenn Dampfrösser ihren Dienst quittieren, ließ es sich mit seinen 77 Jahren nicht nehmen, die beiden alten Hasen zu verabschieden. Bis 1958 war er als Ausbilder an der Lokfahrschule In Berlin tätig und hat selbst 36 Jahre als Lokomotivführer ein Stück Geschichte der Dampflok mitgeschrieben. Zahlreiche jugendliche Eisenbahnfans gaben dem, Lokveteranen ebenfalls ihr Geleit. Viele von ihnen nützten die Gelegenheit, von ihrem Traum" schnell mit der Kamera noch einen Schnappschuß zu machen.
Text und Foto: Sigrid Klimmer
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