aus dem Archiv der Stadt Radebeul
Gasthof „Weißes Roß" - wo einst die Postkutschen hielten Ein Sprichwort sagt: „Wenn einer eine Reise tut - dann kann er was erzählen." Wer vor mehr als 200 Jahren mit der Postkutsche auf Reisen ging, war meist lange unterwegs und hatte auch viel zu berichten; mal brach ein Rad entzwei und ein anderes Mal lahmte das Pferd, welches gerade sein Hufeisen verloren hatte. Mehrfach überflutete die Elbe die alte Poststraße Dresden - Meißen, so dass Kurfürst August 1784 das geplante Projekt der Umlegung dieser Strecke durchführte. Der gesamte Wagenverkehr verlagerte sich etwa in Höhe der heutigen Meißner Straße. Was uns heute auf langen Strecken die Autobahnraststätten bieten, bekamen die Menschen einstig in behaglichen Gasthöfen entlang der Poststraße. Da auf der alten Strecke immer weniger Verkehr war, führte das auch zu Verlusten in der Gastronomie. Die Besitzer des Gasthofes Serkowitz stellten daher 1785 den Antrag an den Kurfürsten, auf dem ihnen gehörenden Weinbergsgrundstück oberhalb des Lößnitzbaches, einen Gasthof errichten zu dürfen. Ein neuer Eigentümer erbaute 1788 den Gasthof „Weißes Roß" in üblicher Fachwerkbauweise. Endlich hatten Reisende sowie Pferde wieder Gelegenheit, sich bei einem Zwischenstop zu stärken und zu erholen. Etwas von dieser Atmosphäre ist in dem Bild über dem Eingang des Gasthofes eingefangen. Darauf abgebildet ist ein weißes Pferd, welches an einem Baum gebunden sich von der letzten großen Fahrt erholt. Gasthof „Weißes Roß" Zeichnung von M. Brösel Die romantischen Postkutschen verschwanden und wurden von der damals modernsten Form der Fortbewegung - der Eisenbahn - abgelöst, so dass 1884 der Anbau einer Wartehalle an den Gasthof erfolgte. In dieser konnte auf die Kleinbahn nach Radeburg gewartet werden. Diejenigen, welche den Zug verpasst hatten, nutzten die Möglichkeit im „Weißen Roß" zu übernachten, da die Konzession für Gaststube, Veranda, Gästegarten vor dem Haus und Gästezimmer erteilt worden war. Zum Tanz durfte nicht aufgespielt werden, da der bauliche Zustand des Saales dies nicht zuließ. In den nächsten Jahren erfolgten mehrere Anbauten. 1913 musste ein Stück Land verkauft werden, damit der Bau der elektrischen Straßenbahn Dresden - Kötzschenbroda möglich wurde. Immer mehr Automobile nutzten die einstige Poststraße. Anstatt des Futters für die hungrigen Pferde verlangte es nun die stolzen Besitzer nach „Futter" für ihre Wagen. 1926 entstand so auf dem Vorplatz eine „explosionssichere Benzinlagerung mit Zapfpumpe" - aus dem Pferdestall wurde ein Autoschuppen. Immer mehr Gäste kamen, dass 1935 die Holzveranda umgebaut werden musste. Nach Kriegsende errichtete die sowjetische Kommandantur im „Weißen Roß" eine Art „Dienstleistungsbetrieb" mit Schneider, Schuster, Mützenmacher, Friseur, Fleckenreinigung und Fotolabor. 1949 wurde der Gaststättenbetrieb wieder aufgenommen. Trotz des hohen Alters der Gemäuer geht man im „Weißen Roß" noch heute ein und aus (genutzt wird es momentan als Spielothek). An die Zeiten der Postkutschen erinnert aber immer noch das Bild mit dem weißen Ross über der Eingangstür.
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Ute Krancher · Quelle: Stadt-/Bauarchiv, Stadt Radebeul |
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