Das ewige Kreuz mit dem Ostkreuz

Ausgabe der Berliner Morgenpost vom 26. Februar 2001, Montag, 26. Februar 2001, Umbau des Verkehrsknotens voraussichtlich im Frühjahr 2003

 

von Ira Bernhof und Dirk Westphal

 

Noch ist für die Fahrgäste das Umsteigen am Ostkreuz eine aufwändige Angelegenheit. In den Umbau des stark erneuerungsbedürftigen Bahnhofes will die Bahn in den nächsten Jahren 680 Millionen Mark investieren.

 

Mächtige Wandpläne zieren das Büro von Peter Debuschewitz. Auf jedem ist eines der großen Bahnprojekte an der Spree akribisch dokumentiert. Hinter den meisten konnte der Konzernbeauftragte der Bahn für Berlin-Brandenburg bereits ein Häkchen machen. Das Häkchen hinter der Sanierung des S-Bahnhofs Ostkreuz fehlt aber noch. Dort rosten die Eisenträger der Bahnsteigdächer vor sich hin. Das Bodenmosaik auf den Perrons wirft Falten auf. Es gibt bis heute keine Rolltreppen und Aufzüge. Das Umsteigen ist eine Qual. Jetzt will die Bahn dem weiteren Verfall Einhalt gebieten. Nach Jahren des Zauderns, terminlicher Verschiebungen und finanzieller Unwägbarkeiten soll Berlins baufälligstes Schienenkreuz nun doch noch saniert werden. Voraussichtlich vom Frühjahr 2003 an wird das Unternehmen mit dem 680 Millionen Mark teuren Umbau beginnen. Das marode Ostkreuz, an dem sieben S-Bahn-Linien halten, soll jene Erlebnisqualität bekommen, wie sie die Immobilienmanager der Bahn bereits an den anderen großen Bahnhofsumbauten der letzten Jahre demonstrierten. Vorgesehen ist, die Station rundum mit Rolltreppen und behindertengerechten Fahrstühlen auszurüsten, ebenso erstmals mit zwei Bahnsteigen für die Regionalbahn: einer für die Ringbahn, ein anderer für die von Ost nach West führende Stadtbahn (siehe Grafik).

Was zunächst wie eine Marginalie klingt, ist ein handfester Vorteil für Bahnkunden. Bislang fahren nämlich die aus dem Umland kommenden Regionalzüge am Ostkreuz vorbei. Passagiere, die auf den S-Bahn-Ring wechseln wollen, müssen am Ostbahnhof aussteigen und von dort wieder zurück zum Ostkreuz fahren. Das zeitraubende Pendeln wird nach dem Einbau der Bahnsteige der Vergangenheit angehören. «Das ist eine deutliche Aufwertung des Verkehrsknotens Ostkreuz,» resümiert Debuschewitz. Alles in allem werde aus dem sichtlich angestaubten Verkehrsknoten (vor 1933 hieß das Ostkreuz Stralau-Rummelsburg) ein moderner Umsteigebahnhof - mit deutlich kürzeren Wegen. Neben der künftigen «Regiotauglichkeit» der Station ist dies die zweite große Verbesserung. Denn das Umsteigen war und ist für die 140 000 Fahrgäste, die täglich am Ostkreuz die S-Bahn wechseln, eine Last. Wer etwa mit der S-Bahn-Linie 7 dort ankommt und in die S 3 umsteigen will, muss heute noch über eine kleine Verbindungsbrücke huschen, um den Anschlusszug zu erreichen. Zwar sind die ankommenden Züge so getaktet, dass dafür meist genügend Zeit bleibt. Aber immer gelingt der «fliegende Wechsel» nicht. Dies soll nun anders werden.

In Zukunft wird nämlich zumindest auf dem unteren Bahnsteig statt des heute noch praktizierten Linienbetriebs der so genannte Richtungsbetrieb eingeführt. Das bedeutet, dass von einer Plattform alle Züge stadteinwärts fahren, von der anderen stadtauswärts. Umständliches Wechseln zwischen den Bahnsteigen entfällt somit. Natürlich soll es auch größere Bahnsteigdächer geben. Eine sinnvolle Investition. Denn noch stehen S-Bahn-Kunden oft im Regen. Das Wahrzeichen des Ostkreuzes, der zirka 50 Meter hohe und mit einer pickelhaubenähnlichen Spitze versehene Wasserturm, bleibt aus Denkmalschutzgründen stehen.

Die Pläne für das neue Ostkreuz sehen zudem vor, zwei Gleise der sogenannten Wriezener-Bahn in die Ost-West-Stadtbahntrasse einzufädeln. Dies hat den Vorteil, dass der jetzige Kopfbahnhof Lichtenberg über das Ostkreuz auch Richtung Ostbahnhof direkt angebunden wird - eine Uraltforderung des verkehrspolitischen Sprechers der Grünen, Michael Cramer. Er bezeichnete die Pläne für den gesamten Umbau des Ostkreuzes «als längst überfällig» und forderte, die Station besser mit der Straßenbahn zu verknüpfen. «Völlig unklar ist aber noch, wie während der langen Bauarbeiten die Fahrgastströme abgewickelt werden sollen», kritisiert die verkehrspolitische Sprecherin der PDS, Jutta Matuschek. Für die Bahn ist das Handling künftiger Passagierströme aber noch kein Thema. Sie kümmert sich zunächst einmal um die Vorbereitung des mindestens eineinhalbjährigen Planfeststellungsverfahrens, ohne das kein Baubeginn möglich ist.

Einer der Dreh- und Angelpunkte im Verfahren ist die Berücksichtigung des Stadtrings (A 100), der den Bahnhof später unterqueren soll. Weil noch niemand zu sagen vermag, wann und ob die Autobahn von Neukölln zum Ostkreuz verlängert wird, geht es beim Umbau des Verkehrsknotens darum, den Platz für die A 100-Trasse freizuhalten. «Die Planung befindet sich in den letzten Zügen und ist fast abgeschlossen», versichert Peter Debuschewitz und blickt zuversichtlich auf seine Wandpläne. Bleibt abzuwarten, wann er auch ein Häkchen hinter dem Großprojekt Ostkreuz machen kann. Zu häufig schon gerieten Termine in Verzug. Debuschewitz lässt sich von solcherlei Spekulationen aber nicht beirren: «Alles schön nacheinander», lautet seine Devise.

 

© Berliner Morgenpost 2001

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